Wohlsborn

Lebenswerte Gemeinde im Weimarer Land

Der Glaserplatz

Beitrag veröffentlicht am: 29.10.2014 | Autor: Ortschronist Thomas Fischer

Foto: von Dr. Jochen Kummer

Von Weimar kommend, erreicht man in Wohlsborn einen Platz, der als „Glaserplatz“ bekannt ist. Der Platz wird von drei Straßen umschlossen: Der Hauptstraße, die in den Ort hineinführt, der Sachsenhäuser Straße und der Straße An der Kirche. Im 19. Jahrhundert wurde dieser Platz in der heutigen Größe angelegt. Davor zog sich das freie Gelände bis zum Lindenberg hin und wurde als Anger bezeichnet, was auf der Karte des Dorfes von 1817 verdeutlicht wurde.

Karte des Dorfes von 1817

Der Gaserplatz

Diese Karte zeigt das Ortsbild von 1867. Die rot eingezeichneten Gebäude wurden seit dem Original der Karte von 1846 neu gebaut. Der weiß eingefärbte Fleck ist der Platz, der bereits zu dieser Zeit von drei Straßen umgrenzt wurde.

„Im Frühjahr 1896 wurden auf dem freien Platz vor dem damaligen Glaser'schen Hause, gegenüber vom Mühl'schen Gasthof, der Glaserplatz angelegt, indem mehrere große Linden und Kastanien entfernt, der bisher hügelige Platz geebnet und mit jungen Bäumen, Linden, Blutbuchen, Platanen, Akazien und Kastanien bepflanzt. Neue Erde wurde aufgeschüttet und Gras angesät. Bürgermeister Menge hat sich darum sehr verdient gemacht.

Auf ihm ist dann mehrere Male auf einem besonderen Brettertanzplan getanzt worden. Im Sommer wurden dann und wann Gottesdienste auf dem Glaserplatz abgehalten.

In der Versammlung am 2. Dezember 1898 gab Bürgermeister Menge bekannt, daß sich G. Glaser erboten hat, auf seine Kosten im oberen Dorfe einen Brunnen mit einer Wasserpumpe auf dem sogenannten Glaserplatze herstellen zu lassen. Er hat dafür 100 Mark bereitgestellt. Die Gemeinde nimmt dieses Angebot dankbar an.“

Aus der Chronik und den Ratsprotokollen Wohlsborns:

1899 stiftet Gotthilf Glaser einen Gedenkstein, der auch heute noch an ihn erinnert.

Gedenkstein von Gotthilf Glaser

Allmählich lassen Aktivitäten auf dem Glaserplatz nach. Der Tanzplatz verschwindet und auch Gottesdienste werden nicht mehr auf dem Platz durchgeführt.

Wartehäuschen für Omnibuslinie

„Für die über Wohlsborn geführte Omnibuslinie wurde 1962 ein Wartehäuschen gebaut. Die Ortseinwohner Gerhard Geisenhainer, Wolfgang Wedel, Hans Neumeyer, Werner Töpfer und Helmut Weber nahmen sich dieser Aufgabe an und vollendeten sie zur Freude aller, die auf den Weimarer Bus angewiesen waren. Als dann der Busverkehr noch erweitert wurde, in dem ein Bus der Linie Weimar-Rohrbach über Wohlsborn geführt wurde, hatte sich die Verkehrssituation doch gegenüber früher entscheidend verbessert. Zum Schluss baute Gerhard Geisenhainer noch einen Jägerzaun um den Glaserplatz und damit war unser Dorf wieder ein Stück schöner geworden.“ Aus der Chronik. Wie auf dem Foto ersichtlich, war die Reihenfolge anders, denn der Jägerzaun wurde vor dem Bau des Wartehäuschens errichtet.

Bau des Wartehäuschens

Der Jägerzaun überlebte nicht lange und das Wartehäuschen wurde in den 1980er Jahren wieder entfernt. Heute gibt es auch keine Aktivitäten auf dem Platz mehr. Der Gedenkstein wurde jedoch gesäubert, sodass die Inschrift wieder deutlich lesbar ist. Ob ein Brunnen auf diesem Platz gebaut wurde, ist nicht belegt.

Aber warum „Glaserplatz“?

Gotthilf Glaser war lediger Landwirt, der gemeinsam mit seiner Schwester, Therese Franke, geb. Glaser und ihrem Ehemann Eduard Franke das Haus Nr. 4, nach alter Hausnummerierung, heute An der Kirche Nr. 1, bewohnte. Da das Ehepaar Franke keine Kinder hatte, erbte Gotthilf Glaser nach dessen Tod, den Nachlass des Ehepaars. Da G. Glaser keine „pflichtheitsberechtigte Angehörige“, wie er in seinem Testament feststellt, hat er seinen Nachlass testamentarisch vererbt. Davon sollte die politische Gemeinde Wohlsborn 5000 Mark erhalten.

Bereits 1885 hatte er der hiesigen Schule 900 Mark geschenkt, mit der besonderen Bestimmung, dass er bis zu seinem Tod die Zinsen noch genießen konnte, danach aber sollten die ca. 36 Mark jährlich auf Beschluss des Schulvorstandes für den Kauf von Konfirmationskleidung oder für Schulbücher, aber auch für die Gestaltung von Schulfeiern verwendet werden.

Laut Hamburger Staatsarchiv und Statistischem Bundesamtentspricht 1 Goldmark 1871 bis 18999,86 €, von 1900 bis 1912 noch 5,17 €. Damit erhielt die Schule nach Glasers Tod jährlich an Zinsen ca. 186,12 € auf heutige Verhältnisse umgerechnet.

Für die 2 Begräbnisplätze auf dem alten Friedhof Wohlsborns für Glaser und seine Schwester und ihren Mann, die die Gemeinde ihm unentgeltlich überlassen hatte, schenkt Glaser der Gemeinde ein Grundstück, das einen Wert von 900 Mark (entspricht heute etwa 4653 €) hatte:

Gerichtsprotokoll

Laut der nachstehenden gerichtlichen Verhandlung, welche wörtlich also lautet:


Gegenwärtig: Herr Amtsrichter Deinhardt

Amtsgericht
Weimar, den 30. Oktober 1896

Auf Ladung erschienen:

Der Rentner Gotthilf Glaser aus Wohlsborn
Die berufenen Vertreter der Gemeinde Wohlsborn, nämlich:
der Bürgermeister Theodor Menge aus Wohlsborn und
der Gemeindeversammlungsvorsitzende Robert Franke, ebendaher

erklärte zunächst G.Gaser:

Von der Gemeinde Wohlsborn sind mir für meine verstorbene Schwester und mich 2 Begräbnisplätze auf dem Wohlsborner Friedhof, welche ich mir nach meinem Wunsche ausgesucht habe, unentgeltlich überlassen worden. Zum Dank hierfür trete ich hiermit das mir gehörige unter Beilage A beschriebene Grundstück Nr. 325 für Wohlsborn schenkungsweise an die Gemeinde Wohlsborn ab und bitte um Übereignung des fraglichen Grundstücks auf die Gemeinde Wohlsborn.

Die Herren Vertreter der Gemeinde Wohlsborn nahmen diese Abtretung an und erklärten:

Wir bekennen uns überall zu der katastermäßigen Beschreibung und Belastung des abgetretenen Grundbesitzes und bitten ebenfalls um Übereignung desselben auf die Gemeinde Wohlsborn, sowie um Ausfertigung einer Übereignungsurkunde mit dem Bemerken, daß wir die aufhaftenden Grundgefälle vom 1. Januar 1897 an übernehmen.

Das Eigenthum des G.Glaser an dem abgetretenen Grundstück wird nachgewiesen durch Erbschein vom 3. Juni 1896 und Zuschriftsattest der Katasterführung.

G. Glaser

Versicherte Pfandfreiheit des abgetretenen Grundbesitzes, welche auf Nachschlagen des Hypothekenbuchs vom Gericht auch bestätigt wird.

Deinhardt
Lemmerzahl


Gegenwärtig:

Herr Amtsrichter Deinhardt

Zudem erklärte noch G.Glaser zu vorstehendem Protokoll folgendes:

Der jährliche Pachtabwurf des von mir abgetretenen Planes Nr. 325 für Wohlsborn soll zur Unterhaltung der beiden Friedhöfe in Wohlsborn verwendet werden. Jetzt besteht zwar nur der alte Friedhof, doch soll in einigen Jahren ein neuer angelegt werden.

Die Herren Vertreter der Gemeinde Wohlsborn , nämlich der Bürgermeister Menge und der Gemeindeversammlungsvorsitzende Franke, erklärten sich hiermit einverstanden und versprachen dem Wunsche des G. Glaser nachzukommen.

 Deinhardt
Lemmerzahl


Am gleichen Tage gab Glaser sein Testament dem Großherzoglich Sächsischen Amtsgericht zu Protokoll.
Nachstehend auszugsweise das Testament:

Amtsgericht

Weimar, 30. Oktober 1896

Freiwillig erscheint der Gutsbesitzer Gotthilf Glaser aus Wohlsborn und gibt in verfügungsfähigem Zustand seinen letzten Willen wie folgt zu Protokoll:

Da ich keine pflichtheitsberechtigten Angehörigen habe, ernenne ich hiermit:

Den Landwirth Albert Rahn in Wohlsborn

zu meinem alleinigen Erben dergestalt, daß derselbe alles, was ich dereinst hinterlasse allein erblich erhalten soll.

Dagegen lege ich ihm die Verpflichtung auf folgende Legata an die dabei genannten Personen bar auszuzahlen, nämlich:

5000 Mk. an die politische Gemeinde Wohlsborn

Hinsichtlich des letzten Vermächtnisses treffe ich jedoch folgende nähere Bestimmung:

a)Die Zinsen von 3000 M. sollen zunächst zur schönen Ausstattung und Unterhaltung der Gräber meiner verstorbenen Schwester Therese Franke, geb. Glaser und ihres Ehemannes des verstorbenen Eduard Franke, sowie meines eigenen Grabes auf dem Friedhofe in Wohlsborn verwendet werden. Der nach Bestreitung dieser Kosten etwa übrig bleibende Theil des Zinsenertrages fällt der Gemeindekasse zur freien Verwaltung nach Beschlußfassung des Gemeinderaths.
b)Von dem Zinsenabwurf der Summe von 1000 Mark soll der jeweilige Schullehrer in Wohlsborn jährlich 5 Mk. erhalten, dafür aber verpflichtet sein, bei meinem Begräbnis an meinem Grabe eine Gedächtnisrede zu halten und alljährlich an meinem Sterbetag an meinem Grabe und dem danebenliegenden Grab meiner oben genannten Schwester zu meinem und ihrem Gedächtnis wieder eine Rede zu halten und durch die Schuljugend einen kirchlichen und frommen Gesang ausführen zu lassen, die Schulkinder erhalten dafür den Rest des Zinsenabwurfes zu gleichen Theilen und zwar solange in Wohlsborn eine Schulsparkasse besteht durch Einzahlung bei dieser auf die Namen der einzelnen Kinder.
c)500 Mark zu einem Denkmal für mich und meine oben genannte Schwester, welches zwischen unsern beiden Gräbern zu stehen kommen soll. Beide Gräber sollen auch mit einem eisernen Zaun, welche auf steinerne Sockel zu setzen ist, umfriedigt werden.
d)500 Mark zur Herstellung eines guten Weges von Kiesknottenunterlage und Sandaufschüttung vom Friedhofsthor bis zu den Kirchthüren und von da bis an mein Grab. Ein etwaiger Überschuß fällt in die Gemeindekasse.

Zu der oben bei Buchstabe a) der Gemeinde auferlegten Erhaltung der bezeichneten Gräber gehört die Erhaltung des vorstehend erwähnten eisernen Geländers, sowie des Denkmals in fortwährend gutem Zustand.

Vorgelesen, genehm.

J. Begl
Kohlschmidt
W. Leinhos  


Am 13. April 1898 ändert Glaser sein Testament, bzw. legt detaillierte Angaben zu den für die Gemeinde ausgesetzten Beträgen fest.

Der damalige Bürgermeister hat das wie folgt protokolliert:

Wohlsborn, den 13. April 1898

Auf sein Bitten begab ich mich heute in die Wohnung des hiesigen Einwohners und Rentners Herrn Gotthilf Glaser und fand denselben in vollster Gesundheit und Zurechnungsfähigkeit an, derselbe erklärte folgendes:

Zu den von mir schon getroffenen Bestimmungen, welche im Amtsgericht Weimar niedergeschrieben sind, möchte ich noch weiter bestimmen, daß wenn ich einmal mit Tod abgehe, daß mich der hiesige oder ein anderer Lehrer beerdigt, wobei derselbe mit der Schuljugend die nöthigen Lieder zu singen, einen Psalm zu lesen, den Segen und ein Gebet zu sprechen hat; dafür erhält derselbe 50 M. Der Gemeindevorstand hat darauf zu sehen, daß das Begräbnis nach meinem Wunsche ausgeführt wird und erhält für diese Aufsicht ebenfalls 50 M.
Mein Grab zu machen, erhält die vom Gemeindevorstand dazu beauftragte Person 6 M., jeder von den sechs Trägern meines Sarges beim Begräbnis erhält 3 M. Dafür sollen diese das Grab nahzumachen, die Schulknaben erhalten für das Tragen des Kreuzes 3 M. und die Läuter für das Trauerläuten und Begräbnisläuten erhalten 5 M. Alles dies von meinem hinterlassenen Vermögen.
Außerdem soll die Gemeinde Wohlsborn noch 400 M. erhalten nebst Zinsen vom Todestage an, um von dieser Summe ein Stück Chaussee zu bauen nach dem Eingang des neuen Friedhofs, welche Summe jedoch in Wegfall käme, wenn der Gemeindevorstand nicht dafür sorgte, daß ich von einem Lehrer beerdigt würde.
Der Gemeindevorstand hat dafür zu sorgen, daß zu meinem Begräbnis ein ganz fester Bohlensarg beschafft wird von meinem hinterlassenen Vermögen.
Für mein Denkmal auf mein Grab bestimme ich 300 M. von meinem hinterlassenen Vermögen, dasselbe muß vor Jahresfrist von meinem Todestage an gerechnet, aufgestellt werden, auch muß dasselbe schöner und mehr mit Goldverzierung ausfallen, als das meiner Schwester, welches jetzt schon auf dem Friedhof steht.
Die von mir schon früher bestimmte Einfassung meines und meiner Schwester ihres Grabes für 500 M. soll von runden Stabeisen, abwechselnd ein Stab höher wie der andere und mit Goldverzierung, auch Goldverzierung an den Spitzen hergestellt werden und mit einer Thür versehen.
Das Großherz. Amtsgericht Weimar soll nach meinem Tode 500 M. nebst Zinsen vom Todestage an erhalten, mit der Bestimmung, daß für den Zinsenabwurf dasselbe auf alle Zeiten die Oberaufsicht führt, dahin, daß mein Grab meiner Schwester und meinem Schwager sein Grab stets in bestem Zustand erhalten bleibt, sowie, daß mein oben genanntes Denkmal dem Preise entsprechend ausfällt.
Über alles bestimme ich überhaupt nochmals, daß an den von mir gemachten Bestimmungen durchaus nichts abgemindert werden darf.
Etwa noch unvorhergesehene Ausgaben, welche für mich nach meinem Tode noch zu begleichen sein sollten, sind ebenfalls, wie alles andere von meinem Nachlasse zu bestreiten

Ich reiche vorstehende, von Herrn G. Glaser selbst diktierten Angaben, an das Großherzoglich S. Amtsgericht Weimar ein und bemerke noch, daß zur Bestätigung hierzu Herr G. Glaser die Absicht hat, bei eintretender besserer Witterung eines Anbringetages auf dem Amtsgericht Weimar zu erscheinen.

Auch unterschrieb Herr G. Glaser vorstehend eigenhändig, nachdem es demselben wörtlich und langsam vorgelesen war.

Der Gemeindevorstand Th. Menge

Gez. Gotthilf Glaser  


Um diese Änderung amtlich zu machen, hatte der Bürgermeister auf Glasers Bitte den Antrag an das Amtsgericht gestellt, diese Formalität in Glaser Wohnung durchzuführen.

Hier das Schreiben des Amtsgerichtes:

Oberamtsrichter Justizrat Kohlschmidt als Richter

G. Müller als Gerichtsschreiber
Wohlsborn, 31. Mai 1898

Zufolge des vorstehend gestellten Antrags verfügte sich heute Vormittag 10 Uhr das Großherzogliche Amtsgericht Weimar bestehend aus den Personen der Nebengenannten in Begleitung des Amtsgerichtsdieners Pernihs hierher nach Wohlsborn und zwar mittels Mietgeschirrs.

In Wohlsborn angekommen, verfügte man sich in die Wohnung des Gutsbesitzers Gotthilf Glaser daselbst.

Derselbe wurde verfügungsfähig angetroffen und bestätigte, das Erscheinen des Amtsgerichts in seine Wohnung zum Grunde der Errichtung einer letztwilligen Verfügung gewünscht zu haben.

Hierauf übergab der Gutsbesitzer Gotthilf Glaser in Wohlsborn ein unverschlossenes vom Gemeindevorstand Bürgermeister Menge hier und von ihm selbst unterzeichnetes Schriftstück mit der Überschrift:

Wohlsborn, den 13. April 1898

bekannte sich auf dessen wörtliches und deutliches Vorlesen zu dessen Inhalt und erklärte weiter letztwillig bez. abändernd und ergänzend zu den in diesem Schriftstück enthaltenen Bestimmungen was folgt:

Zu Absatz 1.

Indem ich den Inhalt dieser Bestimmung allenthalben anerkenne, bestätige ich ausdrücklich, daß derjenige Bürgermeister von Wohlsborn, welcher dieses Amt zur Zeit meines Ablebens verwaltet, die in Absatz 1 eingesetzten fünfzig Mark erhalten soll.

Die Begleitung meiner Leiche durch den hiesigen Geistlichen lehne ich ausdrücklich ab.

Die Bestimmungen in Absatz 2 bis 6, 8 & 9 des übergebenen Schriftstücks enthalten ebenfalls meinen letzten Willen, welchen meine eingesetzten Erben auszuführen haben.

Den Absatz 7 in welchem ich dem Großherzoglichem Amtsgericht Weimar 500 M. für die Oberaufsicht über die dort bezeichneten Gräber und die Errichtung eines Denkmals ausgesetzt habe, nehme ich zurück und verordne statt dessen, daß die politische Gemeinde Wohlsborn die Summe von 500 M. (in Worten fünfhundert M.)als ein Vermächtnis von mir erhalten, aber verpflichtet sein soll, aus dem Abwurfe sowohl mein Grab, als auch die Gräber meiner Schwester Therese Franke geb. Glaser und ihres Ehemannes des verstorbenen Eduard Franke stets in gutem Zustande zu erhalten, auch soll der Gemeindevorstand darauf achten, daß mein Grabdenkmal dem in Absatz 3 dafür ausgesetzten Preise entsprechen ausgeführt wird.

Bei den Bestimmungen meines im Jahre 1896 errichteten Testamentes soll es allenthalben bewenden.

Das übergebene Schriftstück bitte ich zu hinterlegen und mit meinem Testamente sofort nach meinem Ableben zunächst dem hiesigen Bürgermeister zu eröffnen.

Sollte ich in meinem Testament bereits der Gemeinde die Auflage gemacht haben, für die Instandhaltung der vorstehend bezeichneten Gräber zu sorgen, so soll es trotzdem bei dem oben ausgesetzten Vermächtnisse von fünfhundert Mark sein Bewenden behalten, die Gemeinde also den Abwurf dieses Legats beliebig verwenden können.

Vorgel. gen. J. Begl

Kohlschmidt   
G.Müller


Die ausführlichen Bestimmungen seines Vermächtnisses zeigen, dass er großen Wert auf die Zeit nach seinem Tod und das Gedenken an ihn legte. Dazu gehört auch die Bestimmung, dass der Lehrer die Trauerfeier für ihn gestaltet. Wahrscheinlich hatte er etwas gegen den damaligen Pfarrer Merten, was Punkt 3 der Testamentsänderung verdeutlicht. Am 25.Februar 1902 verstarb Gotthilf Glaser. Dazu hat Bürgermeister Menge folgende Niederschrift verfasst:

Der Gemeinde Vorstand
Wohlsborn, den 2.März 1902

Nachdem am 25. Februar d.J. abends 10 Uhr der Rentner Gotthilf Glaser hier verstorben war und mir bewußt war, daß ich sofort nach dem eingetretenen Tode ich auf dem Amtsgericht Weimar zu erscheinen hatte, begab ich mich am 26. Februar dorthin und es wurde mir dort sofort das von G.Glaser hinterlegte Testament eröffnet. Augenblicklich war die Hauptsache, daß die Beerdigung durch einen Lehrer, ja nicht durch einen Geistlichen, vollzogen werden sollte, wie es in diesem Testamente ausdrücklich befohlen war. Da ich jedoch erst spät auf dem Amtsgericht vorkam und infolge dessen erst gegen Abend nach Hause kam, theilte ich diese Angelegenheit dem Pfarrer Karl Merten hier am 27. Febr. vormittags mit, mit der Anfrage, ob er etwas dagegen einzuwenden habe.

Pfarrer Merten erklärte sich zu gar nichts. Infolge dessen fuhr ich am selben Tage nachmittags per Bahn nach Neumark beim Herrn Superintendent Bach, dieser erklärte auf Vortrag der Angelegenheit, daß ihm ein solcher Fall in seiner 33 jährigen Amtsthätigkeit noch nicht vorgekommen sei und daß er die Verantwortung auch nicht übernehme; derselbe gab mir ein Schreiben mit an den Großherzog.S. Kirchenrath. Am 28. Febr. früh begab ich mich mit dem eingesetzten Erben Albert Rahn hier nach Weimar, um einen Sarg zu besorgen. Um 10 Uhr übergab ich mit Vortrag das oben erwähnte Schreiben dem Kirchenrath Oberpfarrer Spinner in Weimar und ½ 12 Uhr ging ich mit diesem auf das Ministerium und erwarteten dort den Cultusminister Kuhn. Nach Beantwortung verschiedener Fragen, mündlich, ließ der Cultusminister Kuhn das Testament vom Amtsgericht holen. Nach langer Berathung wurde genehmigt, daß das Begräbnis nach dem Willen des Verstorbenen ausgeführt werden konnte. Das Ministerium beschied mich mündlich, telegraphierte an den Superintendenten in Neumark und gab mir schriftlichen Bescheid mit an den hiesigen Pfarrer Merten.

Als ich nun nach Hause kam lag ein Schreiben vom Pfarrer Merten hier vor, nach welchem derselbe sich nun in die Angelegenheit fügen wolle. Am selben Tage übergab ich nun dem Pfarrer Merten das Schreiben, wie oben erwähnt, vom Ministerium. Nach diesem war Pfarrer Merten ein anderer Mann, gab mir sogleich das Buch mit an den Lehrer auszuhändigen was dieser dazu brauche. Als ich aber den vom Pfarrer vorgeschriebenen Psalm, welchen der Lehrer am Grabe beten sollte, nachlas und mich dieser recht unangenehm berührte, so ging ich nochmals zum Herrn Pfarrer und es wurde ein anderer Psalm dazu auserlesen. Zugleich bezahlte ich dem Pfarrer Merten die Begräbnisgebühren 4M.50Pf. und die kirchliche Abkündigung - M.26Pf. gegen Quittung, obgleich er nicht zu beerdigen hatte. Nun übertrug ich die Angelegenheit dem Lehrer Kühnemund hier und das Begräbnis fand am 1. März nachmittags um 1 Uhr auf dem alten Friedhofe wie G.Glaser bestimmt hatte statt.

Th. Menge


Pfarrer Merten hatte konkrete Anweisungen für die feierliche Beerdigung gegeben:

Das evangelische Pfarramt zu Wohlsborn am 28. Februar 1902

An den hiesigen Gemeindevorstand in Wohlsborn

Auf mündliches Ersuchen gestattet der jetzige hiesige Ortsgeistliche Kraft seiner amtlichen Stellung und Befugnis nach Ziffer 2 der hohen Ministerialbekannmachung vom 8. Dezember 1897, betreffend die Verhütung von Ungehörigkeiten bei Begräbnissen, unter den Vorbehalten, dass die xxx, diesbezügliche letztwillige Bestimmung des vorigen Dienstag abends 10 Uhr verstorbenen Rentners Gotthilf Glaser durch xxx Abschrift urkundlich unser nachgewiesen xxx wird, auf künftigen Sonnabend, d. 1. März xxx die Veranstaltung der Begräbnisfeier durch den Gemeinde-Ortsvorstand sowie die Begleitung der Leiche vom Sterbehause aus bis zum Grabe auf den alten Friedhofe durch den Orts-Schullehrer – jedoch nur unter folgender Bedingung und Voraussetzung:

Dass die bei dieser Beerdigung erforderliche ärztliche Bescheinigung über den Befund der Leichenschau vorher (d.h. vor der Beerdigung) an den Ortsgeistlichen zu den betreffenden Pfarrakten übergeben werden.
Dass dem Ortsgeistlichen nach der Besoldungstabelle verhältnismäßig zustehende Gebühr von 4,50 Mark bei einer öffentlichen Leiche und außerdem, wenn eine Todes- abkündigung an der Kirche verlangt wird, dafür noch 26 Pf. vorher abentrichtet werden.
Dass bei Meidung der im Zuwiderhandlungsfalle unter Ziffer 4 der angezogenen Verordnung angedrohten Strafe folgend vorgeschriebene Form der Feier streng und genau eingehalten wird, nämlich
Trauerläuten
Vorantragung des Kreuzes
Anstimmung des Liedes Nr. 615 Vers 3 vor dem Hause
Absingung des Liedes Nr. 98 unterwegs bei dem Zuge nach dem Friedhofe
Einfache Verlesung von Psalm 39 Vers 5-8. (Schriftlektion Nr. 4 Seite 292 der Handspruch unter Hinweglassung jeglicher xxx
Das bei Beerdigung Hochbejahrter – Seite 303 der Handspruch xxx xxx
Das „Vater Unser“
Der xxx Segensspruch in der für diesen Fall Seite 289 xxx xxx xxx kommunikativen Form: Der Herr segne und behüte uns! Der Herr erleuchte sein Angesicht über uns und sei uns gnädig! Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden! Amen.
Zum Abschluss der Feier Absingen der Verse 1. von dem Lied Nr.: 646 des Gesangsbuches)

des Ortsgeistlichen daselbst

Pfarrer Merten  

Die Genehmigung der Beerdigung des Landwirts Glaser durch einen Lehrer wurde vom Großherzoglichen Kirchenrat erteilt:

Großherzoglich Sächs. Superintendentur
Neumark, den 1.März 1902
S.222

Auf Ihren am 27.d.Mts. mündlich gestellten Antrag, betreffend die Beerdigung der Leiche des Rentners Glaser in Wohlsborn wird Ihnen folgendes eröffnet:

Der Großherzogliche Kirchenrath hat ausnahmsweise genehmigt, daß Herr Lehrer Kühnemund in Wohlsborn in Stellvertretung des Ortspfarrers bei der Bestattung einen Psalm verliest, das Vater unser und den Segen in kommunikativer Form spricht, sowie daß die Schuljugend bei der Beerdigung singt.

Sie werden hiermit beauftragt, dem Herrn Lehrer Kühnemund Mittheilung von dieser Verfügung zu machen. Das evangelische Pfarramt hat von dem Großherzoglichen Kirchenrath unmittelbar Abschrift des an die Großherzogliche Superintendantur ergangenen Erlasses erhalten.


Der von Glaser ausgesuchte Begräbnisplatz für 2 Gräber und die konkreten Anweisungen für die Grabgestaltung zeigen, wo sich diese Grabstätte noch heute befindet. Die Grabmale aus Sandstein lassen keinerlei Schrift erkennen, deshalb war bisher unbekannt, zu wem die Grabstätte gegenüber der Kirchentür gehört. Mit der Übertragung der handschriftlich in Kurrentschrift verfassten Dokumente in die heutige Schrift ist dieses Rätsel gelöst. Die Einfassung der Grabstätte mit runden Stabeisen ist noch vorhanden, wenn auch die Stäbe korrodiert sind und von der Vergoldung schon lange nichts mehr zu sehen ist.

Grabstätte Familie Glaser

Von dem Inhalt des Testaments Glasers unterrichtete Bürgermeister Theodor Menge die Gemeindeversammlung am 13. November 1898. Die Versammlung ehrte den Legator durch Erheben von den Plätzen und wählte ihn zum Ehrenbürger.

Ein Tag nach dem Tode Glasers wurde zu einer Versammlung um 20 Uhr geladen.

Diese Versammlung beschloß folgendes: da sich der Verstorbene in verschiedener Richtung als Wohltäter der Gemeinde und der Schule gezeigt hat, welche Wohltaten nun nach seinem Tode erst noch recht zur Geltung kommen, so soll zu seinem Begräbnistage ein wertvoller Kranz beschafft werden. Dieser Kranz und auch der schon für seine Schwester angeschaffte soll mit Rahmen und Glas versehen werden, damit diese an Feiertagen auf die Gräber kommen können, während dieselben sonst in der Kirche an passender Stelle ihren Platz haben sollen. Hierbei wurde zugleich vom Gemeindevorstand der Gemeinde die bisherigen Schenkungen mitgeteilt. Die Anwesenden gedachten des Toten durch Erheben von ihren Plätzen.

Da der Friedhof an der Kirche voll belegt war, lief die Genehmigung, dort Gräber anzulegen Ende 1899 aus. Ein neuer Friedhof musste also Anfang 1900 fertig sein, was auch gelang. Eine Sondergenehmigung erhielt Glaser für sich und seine Schwester und auch Pfarrer Kunze, der 1929 starb.

Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass der Glaserplatz als Ehrung für Gotthilf Glaser so benannt wurde.

Alle kursiv gesetzten Texte wurden aus den Originaltexten übertragen.